Wieviel Vitamin D pro Tag soll ich verwenden? Für die meisten Vitamine kann die über die Nahrung aufgenommene Menge als Referenz für die Berechnung des täglichen Bedarfs dienen. Für Vitamin D ist es anders, weil es kein Vitamin im ursprünglichen Sinne ist, sondern ein Prohormon. Es bedarf somit einer alternativen, objektiveren Basis für die Ermittlung des täglichen Bedarfs.
Die primäre Quelle für das Vitamin D bei den Säugern ist die Synthese in der Haut mithilfe der UVB- Strahlung der Sonne. Die Notwendigkeit, Vitamin D über die Nahrung aufzunehmen, ist der "Evolution" der Spezies Mensch bzw. kultureller Entwicklungen wie dem Tragen von vermummender oder wärmender Kleidung und der Besiedelung der nördlichen Breiten geschuldet. Ein weiteres Indiz für die Korrektheit dieser Sicht ist die Tatsache, dass mit Ausnahme von Fisch unsere tägliche Nahrung keine ausreichenden Mengen von Vitamin D liefert.
Lassen Sie uns einen Blick auf die freie Wildbahn werfen, um den optimalen Vitamin-D-Spiegel für den Menschen zu ermitteln. Die Physiologie des modernen Menschen unterscheidet sich nur unwesentlich von der der Primaten, mit denen wir auch den größten Teil unserer Gene teilen.
Vergleicht man die Studien an gesunden Primaten, so findet man Vitamin-D-Werte zwischen 33 ng/ml bis 250 ng/ml (Vieth, 2003). Die sehr hohen Vitamin-D-Spiegel lassen sich damit erklären, dass die Tiere intensive Fellpflege betreiben und damit das meiste Vitamin D oral aufnehmen. Das Vitamin D stammt aus dem Fett, das aus der Haut freigesetzt wird und das Fell pflegt und wasserabweisend macht. Da auch aus dem menschlichen Schweiß und den Hautsekreten nach einer UVB-Exposition Vitamin D extrahiert werden kann, ist die Annahme vertretbar, dass die Menschen früher wenigstens einen Teil ihres Vitamin D im Zuge der gegenseitigen Körperpflege oral aufgenommen haben.
Obwohl die Primaten uns sehr ähneln, handelt es sich um eigenständige Spezies, so dass deren Parameter nur als Hinweis gedeutet werden können. Viel näher kommt man der Festlegung der natürlichen Konzentrationen an Vitamin D, wenn man moderne Menschen untersucht, die sich so verhalten, wie es für die Menschheit vor nur wenigen Hunderten bis Tausenden Jahren üblich war, also nicht überwiegend in geschlossen Räumen und hinter UVB-dichter Verglasung und nur mässig bekleidet.
Zum Beispiel haben Farmer in Puerto Rico rund 54 ng/ml 25(OH)D im Blut (Haddock, Corcino, and Vasquez, 1982). Die etwas weniger bekleideten Rettungsschwimmer in den USA und Israel kommen auf 65,2 bzw. 59,2 ng/ml (Haddad and Chyu, 1971). Dr. med. Raimund von Helden schreibt in seinem Buch, dass für die Naturvölker Konzentrationen zwischen 50 und 90 ng/ml normal seien. Diese Werte repräsentieren in meinen Augen die für den Menschen natürliche Situation.
Lassen Sie uns diese Ergebnisse mit den offiziellen Empfehlungen vergleichen. Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Ernährung finden wir folgendes:
"Der Referenzwert für die Vitamin-D-Zufuhr beträgt bei fehlender körpereigener Bildung 20 Mikrogramm pro Tag. Dieser von der DGE aus Studien abgeleitete Schätzwert gilt für alle Altersgruppen ab einem Lebensjahr."
Diese Aussage hat es in sich. Fangen wir damit an, dass alle Altersgruppen ab einem Jahr genau die gleiche Menge von 20 µg/Tag (entspricht ca. 800 internationalen Einheiten I.E.) benötigen sollen. Die notwendige Menge an Vitamin D ist aber in erster Linie eine gewichtsabhängige Größe! Ein ausgewachsener Mann mit 90 kg Körpergewicht kann nicht die gleichen Anforderungen haben wie ein 10-jähriges Mädchen, das nur rund ein Drittel auf die Waage bringt. Die optimale Konzentration im Blut kann dieselbe sein, nicht aber die Zufuhr.
In allen seriösen Untersuchungen wird darauf Bezug genommen. Des Weiteren wird von der DGE behauptet, dass die 20µg/Tag für alle Altersgruppen gelten. In der Fachwelt ist es längst bekannt, dass die Vitamin-D-Synthese im Alter abnimmt. Es ist sogar für die deutschen Behörden kein Rätsel, wie ein Infoblatt vom Gesundheitsamt Bremen verrät ("Vitamin D-Mangel im Alter - Gesundheitsamt Bremen").
So ist es auch nicht verwunderlich, dass im deutschen Ärzteblatt, Ausgabe Januar 2012, berichtet wird, rund 90% der deutschen Altersheiminsassen hätten einen Mangel an Vitamin D, also Werte unter 12 ng/ml. Jedoch behauptet die halbstaatliche weiter DGE, die empfohlene Tagesdosis von 20 µg/Tag wäre ein Schätzwert, der aus wissenschaftlichen Studien abgeleitet wurde. Interessante Ableitung – diese Studien müssen aus dem 19. Jahrhundert stammen, Quellenangaben wurden von der DGE nicht gemacht!
Weiter im Text von der DGE:
"Von einem Vitamin D-Mangel spricht man bei Serumkonzentrationen des Markers 25-Hydroxyvitamin D unterhalb von 30 Nanomol pro Liter Serum (30 nmol/l). Dies entspricht 12 Nanogramm pro Milliliter Serum (12 ng/ml). Von einer guten Vitamin D-Versorgung in Bezug auf die Knochengesundheit spricht man, wenn die Blutkonzentration dieses Markers mindestens 50 Nanomol pro Liter Serum beträgt. Dies entspricht 20 Nanogramm pro Milliliter. Bei fehlender körpereigener Vitamin D-Bildung wird diese Konzentration mit einer Zufuhr von 20 Mikrogramm Vitamin D pro Tag erreicht."
Im Klartext: Statt 50 bis 90 ng/ml, wie bei Menschen, die einen natürlichen Lebensstil pflegen, sollen bei uns 12 bis 20 ng/ml ausreichend sein. Ausgehend von einem Körpergewicht von 70 kg lassen sich mit der täglichen Zufuhr von 20 µg / 800IE niemals 20 ng/ml im Blut erreichen, denn eine Dauerzufuhr von 1000 IE macht höchstens eine Blutkonzentration um die 15 ng/ml erreichbar, wie in Studien längst bewiesen wurde. Dies erklärt auch, warum sogar diese lächerlich geringen Werte von vielen Menschen nicht erreicht werden:
"Bei der Mehrheit der Bevölkerung liegt kein Vitamin D-Mangel vor. Jedoch erreichen fast 60 Prozent der Bundesbürger die wünschenswerte Blutkonzentration des Markers 25-Hydroxyvitamin D von 50 Nanomol pro Liter nicht."
Die deutsche Techniker Krankenkasse ist da weniger optimistisch:
"Neuen Untersuchungen zufolge erreichen jedoch 91 Prozent der Frauen und 82 Prozent der Männer nicht den empfohlenen Vitamin D-Spiegel im Blut (25-Hydroxyvitamin D-Konzentrationen unter 50 nmol/l werden dabei als unzureichend definiert)"
In der Tatsache, dass die meisten Menschen in Deutschland schon heute nicht die viel zu niedrig empfohlene Konzentration an Vitamin D im Blut aufweisen, könnte auch die Antwort auf die Frage liegen, warum die DGE und somit auch die meisten Ärzte so verschwindend kleine Mengen empfehlen:
Die DGE ist ein halbstaatlicher Verein, der durch das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert wird. Der Staat ist somit in der Pflicht sicherzustellen, dass die Empfehlungen der DGE durch die Mehrheit der Bevölkerung auch erreicht werden können. Was passiert, wenn statt 12-20 ng/ml plötzlich 50-90 ng/ml empfohlen werden? Wie viele Menschen in Deutschland werden dann von sich behaupten können, ausreichend versorgt zu sein? Hier wäre sofortiges Handeln seitens des Staates und seiner Behörden erforderlich, um die höheren Empfehlungen erreichbar zu machen.
Eine weitere mögliche Erklärung für die niedrigen Empfehlungen der DGE könnte der Umstand sein, dass man sich bei der Ermittlung der optimalen Konzentration auf nur einige wenige der bekannten Wirkungen beschränkt hat, zum Beispiel auf den Kalziumstoffwechsel. Es lassen sich tatsächlich Arbeiten finden, die behaupten, dass ab 20 ng/ml die Kalziumversorgung sichergestellt ist und somit auch keine höhere Aufnahme von Vitamin D erforderlich sei. Diese teilweise alten Studien werden von zahlreichen neueren Untersuchungen angezweifelt und widerlegt.
Vitamin D hat ein sehr breites Wirkungsspektrum: Es wirkt auf Muskeln, Knochen, Nervensystem, es reguliert das Immunsystem, es wirkt antientzündlich, greift in den Zuckerstoffwechsel ein u.v.m. Das ist nur ein Ausschnitt aus den heute bekannten Wirkungen. Eine ganze Reihe weiterer Aspekte der Vitamin-D-Wirkung dürften noch nicht einmal bekannt sein, wie die ständig neuen Studienergebnisse belegen.
Man darf nicht vergessen, dass der relativ langsamen Wissenschaft die noch langsamere Bürokratie folgt, die meist noch Jahre bis Jahrzehnte benötigt, um die neuesten Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Schon jetzt lassen sich bei der am meisten benutzten Bibliothek für wissenschaftliche Publikationen (Pubmed-Medline) mittlerweile mehr als 60.000 (!!) Einträge unter dem Stichwort "Vitamin D" finden. Und etliche davon berichten über Verbesserungen bei Patienten mit Bluthochdruck, Diabetes, Osteoporose, Autoimmunerkrankungen, MS, Krebs durch höhere Vitamin-D-Zufuhr. Es ist müßig und nicht zuletzt tatsächlich der Gesundheit abträglich zu warten, bis die offiziellen Stellen auf die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse reagieren und die Empfehlungen nach oben korrigieren.
Jeder Mensch ist selbst für seine Gesundheit verantwortlich, auch wenn dies in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich zu sein scheint.
Und so ist es vorzuziehen, sich eigenständig zu informieren, anstatt sich in die Heerscharen der an den obengenannten Krankheiten leidenden Menschen einzureihen. Zumal die Vitamin-D-Therapie bei einem Körpergewicht von knapp 90kg, überschläglich gerade mal 8-10 Eurocent am Tag kostet.
An dieser Stelle soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass vor jeder Selbstbehandlung mit Vitamin D ein Arzt oder Heilpraktiker konsultiert werden sollte und eine Bestimmung der aktuellen Vitamin-D-Konzentration im Blut unerlässlich ist.
Für die Ermittlung der täglichen Zufuhr von Vitamin D empfehle ich jedem das Buch von Dr. med. Raimund von Helden "Gesund in sieben Tagen. Erfolge mit Vitamin-D-Therapie". Dort beschreibt der Autor als Arzt ausführlich, wie man die richtige Dosis für die Anfangs- und die Dauertherapie ausrechnet.
Die richtige schnelle Einstellung des Vitamin-D-Spiegels durch die Anfangstherapie ist wichtig, denn die Halbwertszeit des Moleküls im menschlichen Körper beträgt zwei Monate, das heißt in diesem Zeitraum sinkt die Vitamin-D-Konzentration im Blut auf die Hälfte.
Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Ein Mensch mit einem Körpergewicht von 70 kg benötigt bei einem Ausgangswert von 10 ng/ml eine einmalige Gabe von 400.000 IE Vitamin D (Anfangstherapie) gefolgt von 3.333 IE täglich (Dauertherapie). Damit wird der Zielwert von 50 ng/ml sofort erreicht.
Verzichtet man nun auf die Aufladephase, so dauert es mehr als 6 Monate bis mit einer täglichen Dosis von 4.000 IE die 50 ng/ml-Marke erreicht wird. Nimmt man dagegen nur 2.000 IE täglich, so dauert es rund 19 Monate, ehe der Vitamin-D-Spiegel die 30ng/ml-Marke erreicht - der Wert kann bei dieser geringen Dosierung überhaupt nicht überschritten werden.
Einen weiteren Anhaltspunkt für die Dosierung von Vitamin D bietet das Internetportal http://www.grassrootshealth.net. Hier wird tabellarisch erklärt, welche Dosierung erforderlich ist, um einen bestimmten Vitamin-D-Spiegel zu erreichen. So braucht ein 75 kg schwerer Mensch täglich 4.300 IE um von 20 ng/ml auf 50 ng/ml zu kommen. Es soll dabei folgende Reihenfolge eingehalten werden: 1. Test 2. Einstellung der empfohlenen Konzentration mithilfe der Tabelle 3. Ein wiederholter Test nach 3-6 Monaten.
Abbildung 1: Einstellung des Vitamin-D-Spiegels. Empfohlen wird ein Wert von 40-60 ng/ml. Das farbig markierte Beispiel in der Tabelle zeigt, dass eine 75kg schwere Person täglich 4.300IE Vitamin D benötigt, um ausgehend von einem Basiswert von 20 ng/ml eine Serumkonzenration von 50 ng/ml Vitamin D zu erreichen (http://www.grassrootshealth.net/). |
Bei der Berechnung der Erhaltungsdosis soll folgende Tabelle helfen:
Abbildung 2: Erhaltungsdosis an Vitamin D für eine 75 kg schwere Person. Für die Erhaltung eines Spiegels von 50 ng/ml sind täglich rund 4.000 IE notwendig (Quelle: http://grassrootshealth.net/media/download/UVB_Exposure_and_Supplements_Supplements.pdf)
Lassen Sie Ihren Vitamin-D-Spiegel bestimmen, und korrigieren Sie ihn falls notwendig.
Nachtrag des Autors
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass ich in den beinahe zwei Jahren, in denen ich mich mit dem Thema Vitamin D beschäftige, keinen einzigen Menschen in meiner Umgebung getroffen habe, der einen Vitamin-D-Wert höher als 23 ng/ml im Blut messen konnte. Ich kenne persönlich mehrere Fälle, in denen eine spürbare Verbesserung nach der Vitamin-D-Verwendung eingetreten ist.
Reference List
Haddad JG, Chyu KJ. 1971. Competitive protein-binding radioassay for 25-hydroxycholecalciferol. J Clin Endocrinol Metab 33:992-995.
Haddock, L., Corcino, J., and Vasquez, M. D. 25(OH)D serum levels in the normal Puerto Rican population and in subjects with tropical sprue and parathyroid disease. [1], 85-91. 1982., P. R. Health Sci. J.
http://www.dge.de/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=71 (Stand 03.09.2013)
Vieth, Reinold. Effects of Vitamin D on Bone and Natural Selection of Skin Color: How Much Vitamin D Nutrition are We Talking About?, 2003, Kluwer Academic/Plenum Publishers, New York.
Dr. med. Raimund von Helden. "Gesund in sieben Tagen"
https://www.tk.de/tk/bausteine-der-ernaehrung/vitamine/vitamin-d/108670 (Stand 03.09.2013)
http://www.gesundheitsamt.bremen.de/sixcms/media.php/13/3_ERN_Info-Brief%20Vitamin%20D-Mangel.pdf (Stand 03.09.2013)
"Deutsches Ärzteblatt", Ausgabe Januar 2012.
http://www.grassrootshealth.net (Stand 03.09.2013)